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Kapitel 5: Der Geruch von Angst

Nov 24

18 Min. Lesezeit

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Blutmondmondriten in den Ebenen von Rotzweig unterschieden sich von denen in Rubinstadt. Sie waren ursprünglicher und rauer, genau wie die Bewohner und ihr Land selbst. Die äußerste westliche Region von Rayan war bekannt für ihre weiten Wiesen aus goldenem Heidekraut und bronzenem Ginster. Im Norden gingen sie in die üppigen Ahornhaine des Rotzweig Forstes über, und im Süden in die seegrünen Grenzwälder von Azwald. Einige hielten die Region für eine große Lichtung zwischen den beiden Wäldern, die sich kilometerweit in den Tälern der Drachenzinne bis zu den Rakatan-Steppen im Osten erstreckte.


Der Geruch von Angst

Die Herrinnen des Clans Sion waren seit tausenden von Jahren die Herrscher dieses Landes. Eine Tradition, die bis in die alten Tage von Lord Herne und Epona zurückreichte. Den Sionnaigh oder Sionna, wie sie in Nemesava genannt wurden, war von beiden Matriarchaten weitgehend Autonomie gewährt worden. Sie waren die Einzigen, die frei durch die Wälder auf beiden Seiten der Grenze streifen konnten, um zu jagen. Aus gutem Grund. Niemand hätte jemals größere Gruppen ihrer Rudel in den städtischeren Provinzen des Reiches haben wollen, wenn ihre Jagd während dem roten Mond Männer und Tiere gleichermaßen herausforderte. Der große Schleier selbst konnte ihnen nicht Einhalt gebieten. Durchtrennt lag er in den Blutmondnächten durch ihre Pfeile, die in den Nebel jagten, der Mythos von Sterblichkeit trennte.

Viele junge Männer wurden während des Mondereignisses an die heiligen Steine der rituellen Höhlen von Rotzweig gekettet. Das Fuchsblut, das durch ihre Adern floss, kochte zu hitzig in den Heranwachsenden. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis sie ihre Animalis beherrschten und an der Großen Blutmondjagd teilnehmen durften. Ansonsten wären sie eine Bedrohung gewesen, nicht nur für ihre Mitjäger, sondern auch und vor allem für ihre Frauen. Lust und Blutdurst trieben sie unter dem blutigen Sternenhimmel in einen gefährlichen Wahnzustand. Und so war Adra unzufrieden und froh zugleich, als Aaron beschloss, sich während ihrer Wehen zu distanzieren.

Ihre Roten Waldläufer waren in den Wäldern unterwegs, als sie ihren Sohn zur Welt brachte. Nichtsdestotrotz sahen die Drachenreiter der Ehrengarde nach der frischgebackenen Mutter, um sicherzustellen, dass kein tollwütiger Vulpine ihr etwas antun würde, wurden sie doch vom Geruch eines Neugeborenen in Raserei versetzt. Adras kleines Biest wurde schnell zu ihrer größten Freude, nachdem er seinen ersten Atemzug getan hatte. Sein Brüllen war bereits in der Wiege mächtig. Und seine Augen waren so verwegen, wie die seines Vaters. Ihn stolz betrachtend, saß sie in der Nacht nach seiner Geburt am Fenster im großen Hauptschlafgemach und wartete auf die Rückkehr des Vaters dieses jungen Schlingels. Aber der Herr der Drachenzinne ließ sie warten.

Die Jäger waren bereits mit ihrer jährlichen Festbeute eingetroffen. Es war Brauch, die Jagdsaison mit einem großen Bankett unter dem Sternenhimmel zu eröffnen. Die großen Freudenfeuer erleuchteten die Wiesen vor der Burg, und die Gesänge der Waldläufer des Clans Sion erfüllten die nächtliche Luft. Nur einer war nicht zur Feier nach Hause zurückgekehrt.

Adra wurde unruhig. Ihr kupferfarbenes Haar lockerte sie mit hitzigem Temperamen. Wie konnte er ihr keine Botschaft senden und sie durch seine Ignoranz vor ihrem Rudel zu beschämen? Das Anziehen der zeremoniellen Gewänder für die Festriten schien ihr fast bedeutungslos, ohne ihren großen Jäger an ihrer Seite. Widerwillig zog sie sich aus. Wo war er? Wäre er noch in Rubinstadt, hätte Aronya sie im Falle von Verzögerungen wenigstens informiert, oder nicht? Oder gab es Angelegenheiten, über die Haus Arayona nicht mit Außenstehenden sprechen wollte, selbst wenn es sich um Familie zweiten Grades handelte? Kein Drache am Horizont, keine Reiter, die im Hof eintrafen, um Neuigkeiten zu überbringen. Doch dann plötzlich ein kratzendes Geräusch an den Außenwänden des Burgturms.

»Aaron? Ich schwöre, ich werde dich in zwei Hälften teilen!«

Keine Reaktion. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er zu ihrem Fenster hinauf kletterte. Er hatte es oft getan, als er ihr oft den Hof machte. Adras Mutter war nicht erfreut darüber, dass der junge Aristokrat aus Rubinstadt hinter ihrer Tochter her war, und so musste er erfinderisch werden, wenn er sie sehen wollte.

»Wirst du wohl von deinen dummen Spielchen absehen!«

Die Herrin der Drachenzinne raffte sich ihr Gewand über. Ihr kleiner Junge fing an, in seinem Bettchen zu jammern.

»Hör auf, ihn zu erschrecken, du...«

Sie würde ihren Satz nicht beenden können. Vor ihrem Fenster fiel ein glühender Regen aufeinander abgestimmter Funken auf die Lagerfeuer in der Ferne. Flammende Pfeile, die hinter der festlichen Versammlung hervorschossen, erstickten die Gesänge ihrer Clansbrüder und verwickelten sie in einen Überraschungsangriff.

Mit den Reflexen einer Mutter holte Adra ihren kleinen Sohn aus seinem Bettchen und drückte ihn fest an ihr Herz, während sie immer noch von dem Anblick dieses bedrohlichen Schauspiels in der Nähe ihres Schlosses ergriffen war. Das große Horn der Gipfel hallte durch den dunklen Himmel. Aber keine Drachen antworteten. Sie versuchte, die Situation einzuschätzen. Wer, der bei klarem Verstand war, würde die Roten Waldläufer in ihrer tödlichsten Phase der Saison herausfordern? Das war keine Twidan-Taktik. Sie würden ihre Nachbarn niemals auf diese Weise überfallen, ohne einen Grund, der Adra nicht bekannt wäre.

Der Beweis, dass es sich tatsächlich nicht um einen Angriff der Nemesier handelte, sollte sich ihr bald offenbaren. Die kratzenden Geräusche an den Wänden kamen nicht von Aaron. Es war ein Drachenblut. Seine Formwandlergestalt zur Hälfte vollzogen, griffen seine schwarzen, schuppigen Krallen nach dem Sims, um durch das Fenster zu klettern.

Adras Sohn fing an, lauter zu weinen. Seine Schreie rissen sie aus ihren strategischen Gedankenspielen und riefen sie zurück in die Realität. Ein Ablenkungsmanöver. Der Angriff diente nur dazu, die Waldläufer in Schach zu halten, damit sie ihr nicht zu Hilfe kommen konnten. Was sie wollten, war kein Kampf, sie wollten das Baby.

Lady Sion stürzte aus ihrer Tür, bevor das Drachenblut vollständig hineingeklettert war. Hastig und mit schnell klopfendem Herz rannte sie durch die Gänge und musste feststellen, dass es in ihrer Festung viel zu ruhig war. Wohin sollte sie gehen? Einer von ihnen könnte hinter jeder Ecke des Gebäudes stehen. Und die Schreie ihres Sohnes führten sie direkt zu ihr.

Eine mächtige Hand legte sich um ihr Gesicht, bedeckte ihren Mund und zog sie in eine unbeleuchtete Nische des Korridors. Adra war kurz davor zu schreien und zu treten, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber das Baby in ihrer Hand ließ sie zurückhaltend bleiben.

»Rühr dich nicht, Addy.«

Diese Stimme. So dunkel und doch ruhig.

»Zakane,« flüsterte Adra und wandte ungläubig den Kopf zu ihm. »Im Namen der Göttin, was geschieht hier?«

Der schwarze Riese lockerte seinen Griff um ihren Mund. Er schob einen Ziegelstein in der Wand hinter sich tiefer ins Gemäuer und öffnete einen Geheimgang, von dem nur die Fährtenleser des Clans wussten.

»Wir sind uns noch nicht sicher.«

Er hatte am Abend zuvor mit Arayona in ihrem Bett alle Möglichkeiten besprochen. Ihr Ritt war wütend, und er genoss es nicht so sehr wie sonst. Beide kamen zu dem Schluss, dass die Morde in Nathum von einer Splitterzelle innerhalb des Hauses Arayona selbst verübt worden sein mussten. Wer sie waren, blieb nach wie vor ein Rätsel.

»Die Drachen antworten nicht,« informierte sie ihn mit tiefer Unruhe, während sie seiner Führung durch den Fluchtkorridor folgte.

»Ich weiß.«

Es gab nicht viele Dinge, die ein Drachennest zum Schweigen bringen konnten, außer Klingen, Magie oder Belladonna. Letzteres würde unwahrscheinlich große Mengen erfordern, damit ein Gelege von zehn so tief schliefe, dass sie kein Horn hören würden.

»Sie würden es nicht wagen!«

Einen Drachen zu töten war eine Sünde, nicht nur für Adras Clan, sondern für ganz Gardyan. Ihre Sippe hatte große Anstrengungen unternommen, um diese göttlichen Bestien zu besänftigen, sodass sie nur die Berge plünderten und die Siedlungen und Städte darunter verschonten. Jahrhunderte der Ausbildung, Erziehung und Fraternisierung mit einer Spezies, die niemandes Sklaven, sondern bestenfalls wohlwollende Gefährten waren.

»Sie vermutet, dass die Steine im Spiel sind.«

Lady Sion traute ihren Ohren nicht.

"Ich dachte, sie wären im Tempel von Zakuray weggesperrt.«

Zakane warf ihr einen Blick zu.

»Einer wurde gestohlen.«

Die Diebe hinterließen keine Spuren, sondern ein durchbohrtes Siegel des Clans Sion. Da die Verbrechen fast zeitgleich mit den Ritualmorden stattfanden, waren die Verbindungen zwischen den Taten mehr als offensichtlich.

»Unsere Sippe steht im Zentrum einer Verschwörung, Clanchefin.«

Adras Arme umklammerten ihren weinenden Sohn fester, ihre Finger streichelten sanft seinen Kopf, um ihn zu beruhigen. Sie wusste, wozu diese Steine fähig waren und was es bedeuten würde, wenn ihre Macht von den falschen Leuten missbraucht würde.

»Wo ist Aaron?«

Zakanes Nase nahm eine Spur auf. Das Drachenblut folgte ihnen.

»Mit Arajon den Dingen auf den Grund gehen.«

Der Raji'Draq bog nach links ab und zog Adra direkt hinter sich her, bevor er um die Ecke zurück in jenen Korridor spähte, den sie gerade genommen hatten. Zakane hatte nicht die Absicht, vor diesem Eindringling zu fliehen. Er wollte ihn nur ins Unbekannte locken.

»Wer sind die?«

Zakane zog Kiba, die kleinere seiner Klingen.

»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber mein Ziel war ein Junge der Dragovaste.«

Ihr Clanbruder war dem kleinen Spion von dem Moment an gefolgt, als er das Badehaus verlassen hatte. Er hatte sich zuerst auf den Weg zum Anwesen der Dragovaste, dann zur Falkenschanze in der Innenstadt gemacht, um eine Nachricht zu senden, und ritt dann mit einem Pferd nach Rotzweig.

»Derjenige, der dir folgt, ist es aber nicht.«

Er würde nicht viel Zeit mit diesem Attentäter verschwenden. Folglich wurde dem Möchtegern-Drachenblut eine schnelle Enthauptung zuteil, als er Adra und Zakane im Fluchtkorridor hinterherschlich. Weder war er ein würdiger Gegner noch eine wertvolle Informationsquelle. Der kleine Kerl mit all den Geheimnissen war irgendwo in der Nähe der Drachenzinne verschwunden. Die Richtung, in die sein Geruch von Angst eilte, würde ihn unweigerlich in den Azwald führen, höchstwahrscheinlich, weil der hagere Handlanger vorhatte, sich dort zu verstecken. Pech für ihn.

Tatsächlich hielt sich Phyron in unmittelbarer Nähe der Ereignisse versteckt. Sein Meister hatte ihm befohlen, den Hinterhalt aus sicherer Entfernung zu überwachen und ihm anschließend Bericht zu erstatten. Unglücklicherweise für den Narren hatte er damit nemesischen Boden betreten. Er harrte südlich des Schlachtfelds hinter der Baumgrenze aus und dachte, er sei vor Entdeckung geschützt. Eine Nachtklinge würde ihn eines Besseren belehren.

Der Diener des Hauses Dragovaste hatte gerade eine perfekte Sicht auf die Geschehnisse gefunden, als sich ein Khukuri sein Kinn anhob. Die Klinge war aus blauem Stahl und hatte Runen auf der Oberfläche. Im Laufe der nächsten Stunden würde sie ihm jedes schmutzige Geheimnis entlocken. Schweißperlen liefen Phyron über die Schläfen, als er versuchte, seinen Entführer zu identifizieren. Doch bevor er einen Blick auf ihn erhaschen konnte, versetzte ihn ein harter Schlag auf den Kopf in Bewusstlosigkeit. Als er wieder aufwachte, fand er sich an einen umgestürzten Baumstamm in Azwalds Sümpfen gefesselt. Das verrottende Holz inmitten nasser und vor Fäulnis stinkender Biomasse war ein passender Schlachtaltar für seine Ausweidung.

Da fielen sie, all seine Zehen, Finger, seine Handflächen, Beine und Arme. Mit brennendem Schmerz und Tränen der Panik in den Augen bekam Phyron endlich eine Vorstellung davon, was die zweitälteste der Nyeda Schwestern fühlte, während sein Meister sie in Stücke schnitt. Während er wie ein Klumpen Fleisch zerhackt wurde, würde er die Geräusche des Schreckens noch einmal durchleben, als die jüngste der Schwestern um Hilfe schrie und er die Tür nicht öffnen wollte. Kein Geheimnis, das er in seinen winselnden Verhandlungsversuchen preisgab, konnte ihn vor diesem endgültigen Urteil retten. 

»Lady Nesya übermittelt ihre Grüße,« sagte die kalte Stimme des nemesischen Waidmanns Phyrons Seele Lebewohl, als er mit dem Verhör fertig war.

Seine Leiche wurde den schwarzen Vögeln überlassen, die jedes Wort bezeugten. Die Zeugen von Tod und Wiedergeburt. Ob Arayonas Wurzeln ihn jemals wieder freigeben würden? Unkraut vergeht nicht, aber eine elende Seele wie seine würde erst nach tausend Jahren in den mächtigen Geburtsbäumen von Gardyan wieder aufleben, wenn überhaupt. Was in dieser schicksalhaften Nacht stattdessen wieder auflebte, war ein uralter Pakt. Und er wuchs mit zwei Paar Drachenflügeln und einer Klaue der Gräfin. Aaron jagte mit Aragosh über den Himmel zur Drachenzinne wie ein Messer, das ein Ziel treffen sollte. Er sah die Feuer und die Füchse, die gegen einen unbekannten Feind kämpften. Und obwohl sein Herz sich danach sehnte, mit seinen Waldläufern in den Kampf zu ziehen, sehnte es sich noch viel mehr danach, seine Herrin zu verteidigen.

Aragosh landete ruppig im Hof, gerade als Zakane die Tür des Geheimgangs öffnete, der neben dem Treppenaufgang zur großen Clanhalle endete.

»Aaron!«

Adra konnte sich nicht länger zurückhalten. Verängstigt, aber entschlossen rannte sie zu ihrem Mann, der seinen kleinen Welpen in diesem Moment zum ersten Mal sah.

»Seid ihr beide unverletzt?«

Sein kleiner Junge schrie ihn mit aller Kraft an, verwirrt über das plötzliche Chaos um ihn herum.

»Ich sehe, er ist bereit für den Kampf!«

Aarons zuverlässigster Offizier hatte die Brut gerettet, aber entspannt war er nicht.

»Du solltest es auch sein,« sagte Zakane. »Wir sind nicht allein.«

Als hätten die Angreifer darauf gewartet, machten sie sich oben auf der Treppe zur Halle bemerkbar. Sie hatten alle Mägde und die Wachen ermordet. Selbst der Koch überlebte es nicht. Sein Kopf schwamm abgetrennt in der Kürbissuppe, die er beim Festmahl des Waldläufergenerals hätte servieren sollen.

»Meine Herren, ihr habt einen großen Fehler gemacht.«

Aaron wusste, wie man kämpft. Aber zuerst musste er Adra und den Jungen hier rausholen.

»Liebes, nimm Aragosh und mach dich auf den Weg nach Rubinstadt.«

Sie weigerte sich.

»Ich werde im Hof meines eigenen Clans nicht weichen!«

Diese störrische Weib.

»Adra, das ist kein Ort für eine Mutter und ihr Baby.«

Die Herrin der Drachengipfel war anderer Meinung. Das Ritualmesser, das an ihrem zeremoniellen Gewand baumelte, war nicht nur zu dekorativen Zwecken gedacht.

»Ich werde die Göttin ehren und heute Nacht Blut vergießen,« gelobte sie und war bereit, mit ihrem Jungen in der Hand einen dieser Bastarde zu zerlegen.

Aaron schüttelte den Kopf und klopfte dem knurrenden Aragosh auf den Rücken, damit er sich davonmachen konnte. Er war zu groß, um in den engen Mauern des Innenhofes von Nutzen zu sein.

»Frau, wenn du stirbst, werde ich dich kalt vögeln!«

Mit Runenfuchs und Sanguinar in den Händen bereitete er sich auf den Kampf vor und stellte sich schützend vor sie. Er hatte sie seit Tagen nicht mehr gespürt. Dieser Abend sollte etwas Besonderes werden. Die Situation, in der er sich jetzt befand, war nicht die Art von besonders, die er sich vorgestellt hatte. Da standen sie, zwei Blutfüchse und eine ausgefuchste Dame mit ihrem Neugeborenen, die Klingen in der Hand gegen ein Dutzend Schwarzschuppen.

Die Schlacht erfasste ganz Redbranch. Von den Ebenen bis zu den Wäldern schlachteten die Sionnaigh, verteidigten ihr Territorium und ehrten die Große Jagd auf eine Weise, wie es sie seit einem Jahrhundert nicht mehr getan hatten. Hinter den Burgmauern ließen ihre Herrin und ihre beiden Raji'Draq die Assassinen schmecken, aus welchem Holz Clan Sion geschnitzt war. Zakanes Brong war eine mächtige, gebogene Machete, die die Reihen durchschnitt, als wären sie Äste. Zusammen mit Aarons Breitschwert Runenfuchs und seinem Rapier Sanguinar führte es einige der gefürchtetsten Teamangriffe der Sionnaigh auf die Feinde aus. Die Rotfell-Raserei war ein mächtiger Klingenwirbel, der alles niederschlug, was sich ihm in den Weg stellte. Wer danach noch stand, wurde entweder von Aarons fliegenden Axt-Kick-Kombos oder Zakanes Ansion-Seitenhieben getroffen. Adra stand in der Zwischenzeit an der Seitenlinie und schrie ihre Jungs an, um sie anzufeuern, genau wie sie es im Training immer getan hatte, als sie noch jünger waren.

»Schickt mir einen rüber!«

Ihr Athame Scathach hatte Durst. Und einer dieser Drachenblüter, die es wagten, in ihr Refugium einzudringen und ihr getroffen von Zakanes Tritt versehentlich vor die Füße stolperte, bekam ihre Klinge innerhalb von Sekunden in seinen Schädel gerammt. Ein Kuss auf den Kopf ihres kleinen Jungen, und da kam das nächste Opfer ihres Zorns. Sie hätten ewig so weitermachen können, wenn nicht die Tore der Festung aufgebrochen wären und sich hinter ihnen eine ganze Horde frischen Feindesbluts aufgedrängt hätte.

»Aaron, das wird keine angenehme Sache.«

Zakane schlug den letzten Eindringling nieder, der sie von der Treppe aus angriff, bevor er sich den Horden zuwandte.

»Meine Nächte waren seit dem Blutmond nicht mehr angenehm.«

Aaron holte Adra und seinen Welpen und drängte sie hinter sich. Die Clangeschwister waren gerade dabei, ihre Unsterblichkeit auf die Probe zu stellen, als ein unheilvolles Getöse die Szenerie erschütterte. Der Kommandant war angekommen, und er war nicht allein.

Eine Dame in einem knappen Overall aus schwarzem Leder mit nachtdunkler Haut hatte die Revolte am Waldrand ihres Volkes verfolgt und die Spur eines Spions aufgenommen, der sich angesichts der Eskalation hinter einen Baum förmlich eingeschissen hatte. Seine Knochen sind soeben von den Händen ihres Mannes Zoll für Zoll gekürzt worden. Ihr Name war Azamitha und sie war die Generalin der Nachtklingen von Nemesava. Ihr Runen beschlagenes Schwertbeil hämmerte wie ein Amboss von der Torbrücke herab und schlachtete die Reihen der angreifenden Horde von innen heraus ab. Die letzte Reihe der feindlichen Truppen blickte stattdessen den Nüstern einer hungrigen Monsterechse entgegen. Arajon hatte Rasheku vor der Festung gelandet und sich vergewissert, dass keiner von ihnen seinen Schlägen oder den scharfen Zähnen seines Gefährten entkommen würde.

Der Kommandant sah sich die Jungspunde vor ihm genau an. Ihre Animalis war unvollständig und deformiert. Einige hatten eine unproportionale schwarze Drachenklaue. Andere einen schuppigen Schwanz, aus dem Teile normalen Fleisches hervorwucherten. Einige fanden ihre Gesichter zwischen ihrer natürlichen Erscheinung und der einer Eidechse feststecken. Trotzdem erkannte er einige dieser Abscheulichkeiten. Sie waren ehemalige Neulinge des Raji’Draq, die ihre ersten Prüfungen nicht bestanden hatten. Da sie nicht gut genug für Rayans Militär befunden wurden, hielten sie es jetzt für eine gute Idee, gegen diese Entscheidung zu protestieren.

»Jungs, ihr habt euch heute Abend eindeutig den falschen Rayonaigh ausgesucht, um euch mit ihm anzulegen.«

Arajon war wütend. Seine einsetzende Animalis machte bereits deutlich, dass seine Fähigkeiten, das Biest in ihm zu nutzen, auf einem ganz anderen Niveau waren. Die Schuppen an seinen Armen brachen auf natürliche Weise und im Einklang miteinander durch seine Haut. Sie nahmen an der Oberfläche einen karminroten Farbton an und reichten ihm nach vollständiger Transformation bis zu seinem Hals. Es wuchs ihm kein Schwanz, aber auf seiner Stirn zwei spitze Hörner, die zeigten, von welcher Art Drache er abstammte. Ein Draco sanguinis oder Blutdrache. Der erste seiner Art in den Bergen von Ray. Rasheku war ebenfalls ein direkter Nachfahre des besagten Ahnen. Das galt auch für Aaron und Aronya, obwohl das Fuchsblut gleichermaßen durch ihre Adern floss.

Rajakhan und Radakhan, des Kommandanten kampferprobte Klingen, machten sich sofort an die Arbeit. Ein übermütiger, aber minderwertiger Angriff nach dem anderen wurde abgewehrt und niedergestreckt. Wer an Arajon vorbeistolperte, landete bei Rasheku. Diejenigen, die seine scharfen Zähne herausforderten, wurden entweder enthauptet, von ihren Gliedmaßen, Eingeweiden oder von beidem getrennt. Nach vorne zu fliehen mögen einige versucht haben, doch dort kannte Azamithas Kriegsbeil noch weniger Gnade.

»Oh, und los geht’s.«

Aaron stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Nun würden sie diesem Aufstand ein Ende bereiten. Zusammen mit Zakane stürmte er in die vorderen Reihen der Schwarzschuppen. Sie mit Arajon einkesselnd, töteten sie die Angreifer entweder selbst oder drängten sie direkt in Azamithas verstümmelnden Runentanz hinein. Wie ein Fleischwolf zerlegten sie das unheilige Gemeinschaft, einen nach dem anderen, und sorgten dafür, dass diese Schlacht als die Rache der Nyeda Schwestern in die Legenden von Gardyan eingehen sollte.

Die Tore färbten sich Purpur mit dem Blut des letzten Bataillons der Hexerkönige. Zumindest dachten sie das.

Azamitha und Arajon wussten, dass dies erst der Anfang war, als sie Blicke tauschten, nachdem der letzte Aufständische gefallen war. Allerdings wollten sie nicht darüber sprechen. Schweigend gingen beide zu ihren Verbündeten hinüber.

»Ich sehe, die Krallen der Gräfin sind scharf wie immer.«

Aaron verbeugte sich tief vor der Generalin.

»Ihre Krallen sind so scharf, wie es nötig ist.«

Azamitha war keine Frau der vielen Worte.

»Nun. Lasst mich den Welpen sehen, der den ganzen Ärger verursacht hat.«

Adra trat vor und legte ihre Stirn an die von Azamitha. Es war die traditionelle Begrüßung der Schwesternschaft.

»Er wird eine gute Partie für die Erbin von Seelwasser abgeben,« merkte sie an.

Die Generalin untersuchte den Jungen und prüfte seine Reißzähne. Der Bengel knurrte, bevor er den Finger ergriff, der seine Lippe anhob.

»Seine Reflexe scheinen gesund zu sein,« urteilte Azamitha. »Hoffen wir, dass seine Männlichkeit es auch ist. «

»Er bezaubert bereits die Mägde... oder was von ihnen übrig geblieben ist.« Lady Sion trauerte um ihre Mädchen. »Gesegnet seien jene, die sich entschieden haben, bei den Waldläufern zu bleiben.«

Der Jubel besagter Waldläufer in der Umgebung der Festung hörte sich an, als hätten sie ihren Feinden gerade die Seele aus den Leib geprügelt.

»Würden die Damen bitte davon absehen, über die Fortpflanzungsqualitäten meines Jungen zu besprechen, bis er volljährig ist?«

Die Beschwerde des Lord Generals wurde im Keim erstickt, als Adra ihm seinen Jungen vor seine Brust drückte.

»Du hast ihn noch nicht einmal gehalten, also hör auf, so frech zu sein,« tadelte ihn seine Gemahlin.

»Wir sollten nach den Drachennestern sehen.«

Zakane wollte das Gespräch nicht stören, aber es gab immer noch drängende Fragen.

»Ich werde gehen,« bot Arajon an, aber Azamitha lehnte ab.

»Sie erwartet deine sofortige Rückkehr.«

Ihre Gräfin hatte sich klar ausgedrückt. Geh rein, verwüste sie, geh raus und befehlige ihn nach Hause. Der Kommandant wusste, dass die Anordnung unanfechtbar war.

»Wie ist ihre Stimmung?« fragte er vorsichtig.

Azamitha warf einen Blick auf den Partner ihrer Schwägerin.

»Erzürnt.«

Jeder der Anwesenden wusste, was das bedeutete. Die Gräfin war eine sanfte Seele. Wenn sie irgendetwas verstimmte, dann war es ernst.

»Geh, Arajon. Den Rest werden wir aufräumen.«

Der Kommandant verbeugte sich vor den Damen, bevor er seine Schritte zu den Ställen beschleunigte. Er würde Rasheku in Aarons Obhut lassen und einen Hengst nach Seelwasser nehmen. Als er an den feiernden Waldläufern vorbeiritt, jubelten sie ihm nach. Sie alle wurden von Zakane angewiesen, wachsam zu sein und die sich nähernden Horden zu analysieren. Nur die Hälfte von ihnen war um die Lagerfeuer herum verblieben. Die andere Hälfte hatte sich im Wald versteckt und diese Scheißkerle in die Falle gelockt. Glücklicherweise kam Aaron spät genug, damit der Plan aufging. Eine würdige Jagd für die Sionnaigh, die nun noch mehr Brennstoff für ihre Freudenfeuer hatten. Die Flammen von Herne sollten in dieser Nacht hoch aufsteigen. Am Rande des Waldes warf Arajon einen letzten Blick auf diese bemerkenswerten Jäger und ihr Schauplatz und fühlte den Schmerz einer Wunde, die er den anderen nicht offenbart hatte. Sie saß dicht unter seinem Herzen, zwischen seinen Rippen. Ein Dolch hatte ihn während des Kampfes überrascht. Es war keine besonders schlimme Verletzung für einen Rayonaigh, aber sie brannte wie die Hölle. Hoffentlich würde seine Herrin ein Heilmittel dagegen haben.

Sein überstürzter Rückzug durch das Dickicht wurde von Phyrons Metzger und Arajons Schwager Bozan beobachtet. Der hochgewachsene Nemesier hatte keine Freude an seiner Arbeit. Normalerweise zerlegte er Rehe mit größtem Respekt für das Geschenk der Göttin und nahm sich nur die stärkste Beute vor. Dieser Eindringling war nicht einmal seine Energie wert.

Bis Bozan bei den Freudenfeuern ankam, hatten Zakane und Aaron die seltsame Stille der Drachennester bereits untersucht. Beide saßen mit seiner Frau um die Feuerstelle, während die Waldläufer eine improvisierte Beerdigung vorbereiteten, die für diese Nacht nicht geplant war. Die Waldläufer schienen von Bozans und Azamithas Anwesenheit nicht besonders beunruhigt zu sein. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Nemesier die Große Jagd mit den Sionnaigh feierten. Ihre Traditionen, obwohl in vielen Teilen recht unterschiedlich, waren sich in Bezug auf die Jagd sehr ähnlich. Diesmal jedoch schwebte eine düstere Wolke über den Feierlichkeiten beider Seiten. Bozan begrüßte Zakane mit einem kräftigen Faustschlag auf den Rücken. Der Raji’Draq-Offizier teilte sein Trinkhorn mit dem Nachtläufer und zollte dem Mann, der ihn einst ausgebildet hatte, damit Respekt.

»Habt ihr etwas in den Nestern gefunden,« fragte Azamitha, während ihr Mann neben ihr Platz nahm.

»Sie wurden betäubt, aber nicht mit Belladonna,« antwortete Zakane.

Die Drachen waren mit einem seltsamen Zauber belegt worden, der sie in einen stundenlangen Schlaf versetzte. Das war ein positives Zeichen, denn es bedeutete, dass derjenige, der die Magie der Steine ​​ausübte, noch nicht vollständig herausgefunden hatte, wie man sie effizient einsetzt. Diese Drachen hätten sonst die gesamte Festung und das Waldläuferlager in Brand setzen können. Aber ihren Willen so stark zu beherrschen, lag offenbar nicht in der Macht des Drahtziehers, der hinter dieser Rebellion der Schwarzschuppen steckte.

»Und du? Hast du ihn gefangen?«

Natürlich hatte Zakane im Zuge dieses Aufruhrs eine Nachricht an den Kommandanten der Nachtläufer geschickt.

»Gefangen und geschnetzelt,« antwortete Bozan.

Der Angriff auf drei ihrer Clanschwestern konnte nicht ungesühnt bleiben. Azamithas Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie über den Tod dieser Ratte froh.

»Hat er etwas ausgespuckt?«

Sie war nicht naiv. Da sie im Zweiten Krieg gekämpft hatte, sagte ihr ihre Intuition, dass dieses Gefecht bestenfalls ein Geplänkel war.

»Sie nennen sich das Schwarze Regiment.«

Bozan warf ein paar Stöcke ins Feuer. Er kannte diesen Namen so gut wie die anderen drei.

»Soll das ein Witz sein?«

Zakane blieb skeptisch. Dieser Name war seit der Versiegelung der Portale nicht mehr erwähnt worden.

»Ist es nicht, Zak. Sie lassen den Blutorden des Schwarzen Drachen wieder auferstehen.«

Aaron spuckte seinen Drink aus.

»Niemand, der ein Geschichtsbuch lesen kann, würde das jemals versuchen.«

Azamitha musste nachdenken. Der Orden des Schwarzen Drachen war das grausamste Heer der Hexerkönige. Ihr Hunger nach Macht endete nicht an den Grenzen von Gardyan. In ihrer Blütezeit hatte er weit über den Schleier hinaus in die Welt der Sterblichen gereicht. Um ihrer Tyrannei ein Ende zu setzen, schlossen die Ältesten die Wege zwischen den Welten. Nur wenige wussten, wie man sie wieder öffnet. Und nur einer hatte die Verbindung zu seinen Druidenkollegen abgebrochen, um seine verwerflichen Studien der Knochenmagie fortzusetzen.

»Einer würde es tun,« murmelte die Generalin. »Entweder das oder er weiß zumindest etwas.«

Bozan knurrte.

»Ich werde nicht mit ihm reden.«

Dieser Kerl war eine Schande für sein Volk und brach mit den Regeln ihres Kodex. Ein Hexenmeister oder Blutschamane oder was auch immer aus ihm geworden war, Bozan wollte es nicht wissen.

»Du musst,« bestand Azamitha darauf. »Er ist der Einzige, der die Steine ​​gut genug kennt, um zu sagen, wohin der Verlorene gekommen sein könnte.«

Der Lord der Drachenzinne wusste nicht genau, von wem sie sprachen, aber er war entschlossen, es herauszufinden.

»Ich werde mit dir kommen, Bozan. Dieser Bedrohung sollte sich keiner unserer beiden Clans allein stellen.«

Aaron unterstützte sie mehr, als es in Bozans Augen gesund für ihn war.

 

»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Sionna. Knochenbeschwörer interessieren sich sehr für Blutlinien und ihr Potenzial. Die unangenehme Aufmerksamkeit, der deine Familie gerade ausgesetzt ist, wird ihnen sicherlich nicht entgangen sein.«

Bozan meinte es ernst. Aber Aaron ließ es nicht dabei bewenden. Er beharrte darauf, stärker in die Ermittlungen einbezogen zu werden. Das war sein Recht als General der Raji’Draq, genauso wie Azamithas als sein Gegenstück auf der Seite der Nemesier. Und sie versuchte nicht einmal, es ihm aus dem Kopf zu schlagen.

»Schick nach dem Boten,« sagte sie zu Zakane. »Aronya muss es wissen.«

Zakane tat, was ihm geheißen wurde, und ging zu den Höhlen der Jäger, obwohl er sich nach diesem nervenaufreibenden Abendprogramm lieber etwas ausgeruht hätte.

»Ich kann es riechen, wenn der Rote Rabe wieder aktiv wird.«

Bozan fehlte nicht der berechnende Verstand, für den seine Frau berüchtigt war. Sonst hätte sie ihn nicht gewählt. Aber im Moment wollte sie seine Weisheit nicht einmal hören.

»Beschwöre den Schädel nicht.«

Die Aktivitäten des Roten Raben waren zum Wohle aller auf Eis gelegt worden. Der Clan der Spione hatte den Zorn einer alten Hexe provoziert, indem seine Mitglieder wiederholt den Östlichen Schleier passierten, den sie, die Rabenhexe von Geisterhain, bewachte. Sie war nicht weniger Matriarchin als Aronya oder die Gräfin, obwohl ihre Untertanen hauptsächlich aus Federvieh bestanden. Ihre Raben zogen nie ohne ein Festmahl ab. Und ihre Dienste wurden nie ohne Tribut gewährt. Wenn sie sich einmischte, gab es mehr Dinge, um die man sich sorgen musste, als nur ein paar Fanatiker.

In dieser Nacht würde eine Eule nach Rubinstadt fliegen und dem Puzzle Teile hinzufügen. Wichtige Teile. Denn sie würden das volle Ausmaß der jüngsten Bedrohung offenlegen. Ein Rabe sah alles, sprach aber nicht. Er war von der Taverne zum Turm geschickt worden und hatte nur den Weg der Eule gekreuzt, wobei er sein Krächzen gegen ein Rufen austauschte. Die Eule flog nach Norden und er flog nach Osten, wo seine kurze Reise am Tag zuvor begonnen hatte.

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